Eine Fortbildung zu besuchen, heißt nicht automatisch, Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern. Damit die Umsetzung der im Rahmen der Fortbildungsmaßnahme erlernten Inhalte auch in der Praxis gelingt, bedarf es einer Auseinandersetzung mit den eigenen Lernprozessen (Seel 2003). Das Übertragen dieser Inhalte auf die Praxis nennt man in der Wissenschaft Lerntransfer. Doch was genau versteht man eigentlich unter Lerntransfer? Wo und wann findet er statt und warum ist Lerntransfer so wichtig?
Das Verständnis von Lerntransfer bezieht sich auf die tatsächlichen Fortbildungsinhalte, die in der Praxis umgesetzt und nachhaltig angewendet werden. Die Zeit in der Fortbildung – insbesondere bei den länger angelegten –sollte dabei vorrangig dazu dienen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und diese anschließend in eigenen Unterrichtsroutinen zu erproben.
Dabei geht es weniger um eine rezeptartige Umsetzung der Fortbildungsinhalte in die Praxis, sondern vielmehr um die Weiterentwicklung der erworbenen Kenntnisse und Integration in den Arbeitsalltag (Solga, 2008). Zu berücksichtigen sind dabei verschiedene Wissensarten (de Jong & Ferguson-Hessler (..):
Der Aufbau und Weiterentwicklung dieser Wissensarten kann durch eine Fortbildungsmaßnahme unterstützte werden. Jedoch kann ein langfristig angelegter Lernprozess nur durch persönliche Reflexion dieser funktionieren (Hilzensauer 2008). Nur so, kann die Beschäftigung mit den Lerngegenständen nach einer Fortbildungsmaßnahme nachhaltig wirken, wobei auch die Kooperation zwischen Fortbildungsteilnehmenden zu Lernprozesses beiträgt (weitere Informationen dazu finden Sie unter dem Menüpunkt Kooperation).
Nicht nur Schülerinnen und Schüler sollten sich als kleine Forscher verstehen. Es gibt viele Gründe, warum dies auch Lehrpersonen tun sollten. Denn der Kern von Lehrerfortbildung liegt im Lernen der Lehrpersonen, die an dieser teilnehmen, der auch an dieser Stelle einem Prozess unterliegt (Höfer & Steffens 2013; Macke 1978). Dabei werden aus neurologischer Sicht Informationen aufgenommen und in unserem Gehirn gespeichert. Diese Informationen dienen unserer Verhaltenssteuerung und können von uns abgerufen und eingesetzt werden. Sowohl bewusst als auch unbewusst (Konrad 2014, S. 13). Im Rahmen einer Fortbildungsmaßnahme nehmen Lehrpersonen Wissen auf. Die aufgenommen Informationen werden daraufhin in ihren Köpfen verarbeitet. Bis diese jedoch zu Anwendung in ihren Verhaltensweisen in ihrem Arbeitsfeld führen können, müssen viele Komponenten berücksichtigt werden (Holodynski & Oerter 2008, S. 536). Der Weg bis hin zur aktiven Verhaltensveränderung lässt sich als Lernprozess bezeichnen (Achtenhagen 1997, S. 604; Schmid 2006, S. 16). Damit dieser erfolgreich ist, bedarf es im Rahmen der Fortbildung nicht nur ein gewisses Maß an Praxisbezug, um einen Bezug zum Vorwissen der Lehrpersonen zu schaffen (Bransford & Johnson 1972), sondern auch auch die Bereitschaft der Teilnehmenden, einen Lernprozess zu beschreiten (Seel 2003, S. 82). Nur unter diesen Voraussetzungen, können die vermittelten Inhalte einen Weg in die Praxis finden. Auch wenn die Bedeutung des Wortes ‘Motivation’ den meisten Menschen bekannt ist, handelt sich es dabei jedoch um ein komplexes Konstrukt, das von vielen Komponenten beeinflusst und gesteuert wird. Diese wiederum stehen miteinander in Beziehung. Diese Komponenten werden in der Wissenschaft durch bestimmten Fachbegriffen wie folgt benannt (Holodynski & Oerter 2008, S. 536).
Motive
Emotionen
Volition
So spezifisch sich diese Begriffe anhören mögen, sind sie praktisch jedoch einfach nachzuvollziehen. Denn bei den Motiven geht es um nichts anderes, als um die Beweggründe von Lehrpersonen, überhaupt an einer Fortbildungsveranstaltung teilzunehmen. Beweggründe, geben dabei den Anstoß für Handlungen vor, die zur Erreichung eines erwünschten Zielzustandes führen (Holodynski & Oerter 2008, S. 535), wie zum Beispiel den Erwerb zusätzlicher Kompetenzen, um berufsbezogene Herausforderungen besser bewältigen zu können. Diese Zielsetzungen sind immer individuell und wertbesetzt. In anderen Worten, jeder verfügt über eine eigene Intention, warum er etwas lernen möchte. Genau diese Intention, verschafft uns einen persönlichen Wert der Sache selbst (Seel 2003, S. 82). Dazu ein Beispiel zur Veranschaulichung:
Eine Lehrperson, die sich viele Fragen zum Thema ‘Gerechte Leistungsbeurteilung’ stellt, möchte an einer Fortbildung zu diesem Thema teilnehmen. Mit der Wahrnehmung eines solchen Fortbildungsangebotes, verknüpft sie ein starkes Bedürfnis, ihre Fragen durch die Teilnahme dieser Fortbildungsmaßnahme zu klären. Dadurch behaftet sie ihre Teilnahme mit einer individuellen Wertbesetzung. Im Hinblick auf Lernen hat die beschriebene Lehrperson sicherlich eine größere Erfolgsaussicht, als eine Person, die durch ihren Vorgesetzten zu dieser Fortbildung überredet wurde.
Entsteht die persönliche Zielsetzung aus eigener Überzeugung heraus, so wie es in unserem Beispiel der Fall ist, handelt es sich um eine sogenannte intrinsische Zielsetzung. Ziele, die sich aus äußeren Reizen, wie zum Beispiel durch den Vorgesetzten, gebildet werden nennt man hingegen extrinsische Zielorientierung (ebd.). In den meisten Fällen beinhalten Motive, als individuelles Konstrukt von Motivation, jedoch immer einen Anteil aus beiden, extrinsischer- und intrinsischer Zielorientierung. Wie ausgeprägt diese sind, spiegelt sich im Verhalten der Teilnehmenden wieder (Holodynski & Oerter 2008, S. 535). Zu erkennen sind diese beispielsweise daran, mit welcher Zielstrebigkeit die teilnehmenden Lehrpersonen an bestimmt Aufgaben herangehen, in welchem Ausmaß sie gewillt sind, die gelernten Inhalte in ihrem eigenen Unterricht zu erproben und weiterzuentwickeln. Kommen wir zum zweiten Faktor der Fortbildungsmotivation.
Emotionen die Lehrpersonen mit der Teilnahme an einer Lehrerfortbildung verbinden, spielen eine entscheidende Rolle (Bendixen 2002, S. 193; Schwarzer-Petruck, M. 2014, S. 55). Emotionen hängen dabei stark mit der eigenen Bewertung von Geschehnissen zusammen. Dabei spielt eine Rolle, inwieweit die Lehrpersonen das Potential einer Lehrerfortbildung erkennen, diese als unterstützende Maßnahme zu verstehen, ihre eigenen Ziele zu erreichen (Holodynski & Oerter 2008, S. 536). Emotionen entstehen immer situationsabhängig und wirken sich auf das weitere Verhalten der Fortbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer aus. Ähnlich wie bei den Motiven, zeigt sich dies in der Ausrichtung oder Auswahl der Handlungen, welche die Lehrpersonen vornehmen (Beckmann & Heckhausen 2010, S. 95). Werden positive Emotionen mit der Teilnahme und der Lehrerfortbildung erlebt, wirkt sich dies förderlich auf die Fortbildungsmotivation der Teilnehmenden aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie gewillt sind, auch an zukünftigen Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen steigt (Puca 2013, 35). Nun zur letzten Komponente.
Diese bildet die sogenannte Volition und beschreibt damit die kognitive und willentliche Ebene von Fortbildungsmotivation. Wieder von einem individuellen Fortbildungsziel ausgehend, muss man vermuten, dass dieses auch nicht automatisch mit der Teilnahme an einer Fortbildung erreicht werden kann. Um ein Ziel zu erreichen, muss vorher ein entsprechendes Verhalten aufgezeigt werden, welches die Kontrolle und angemessene Planung von emotionalen und situativen Widerständen einschließt (Kuhl 2010, S. 338). Für die teilnehmenden Lehrpersonen bedeutet dies eine ständige Reflektion der eigenen Lernprozesse und eine ständige Überprüfung ihres Verhaltens bezüglich der Erreichung ihrer Lernziele (Holodynski & Oerter 2008, S. 536). Nur durch das ständige Hinterfragen des Lernprozesses, kann die Richtung, Dauer und Intensität der eigenen Handlungen reguliert und bei Bedarf neu positioniert werden (Puca 2013, S. 36).
Zusammenfassend betrachtet man die Fortbildungsmotivation der teilnehmenden Lehrpersonen als Absicht, bestimmte Inhalte und Fähigkeiten zu erlernen, um damit ein bestimmtes Ziel zu verfolgen (Schiefele 2013, S. 1008). Nicht nur theoretisch lässt sich die Bedeutung der Motivation für den Lernprozess in der Lehrerfortbildung begründen. Denn vor diesem Kontext bestätigen sogar unterschiedliche Studien, dass die Fortbildungsmotivation als mitzubringende Voraussetzung einen erheblichen Beitrag zum Fortbildungserfolg leistet (Gottfried, 1985, 1990; Krapp & Ryan 2002; Lepper, Corpus & Iyengar, 2005; Miserandino, 1996; Schiefele & Schreyer, 1994; Stavrou, 2008; Rzejak et al. 2014, S. 141). Einige Komponenten erweisen sich dabei als besonders motivationsfördernd. Dazu zählen sowohl die soziale Interaktion zwischen den Lehrpersonen in ihrer Schule, als auch der kollegiale Austausch im Rahmen der Fortbildung selbst (Rzejak et al. 2014, S. 141). Viele Gründe also, warum Lehrpersonen sich ihre persönliche Fortbildungsmotivation in Form persönlicher Intentionen und Lernzielen bewusst machen sollten.