Der Weg von der Erprobung der PIKAS Materialien durch einzelne Kolleginnen hin zur Schulentwicklung im Bereich Unterrichten im Fach Mathematik
Zur Vorgeschichte
Die Grundschule A ist eine offene Ganztagsschule mit zehn Klassen und mit 250 Schülerinnen und Schülern in Nordrhein-Westfalen. Der Unterricht in der Schuleingangsphase wird jahrgangsgebunden erteilt, wobei jeweils eine Klasse Eins und eine Klasse Zwei eine Teamklasse bilden, in denen regelmäßig jahrgangsübergreifende Projekte stattfinden. Zum Kollegium gehören 14 Lehrerinnen und Lehrer, eine Sonderpädagogin und eine sozialpädagogische Fachkraft.
Schulentwicklungsvorhaben werden in Konferenzzeiten, ca. sechs Stunden pro Monat, mal im Plenum, mal in Fachgruppen bearbeitet. Eine pädagogische Arbeitszeit sowie eine fest vereinbarte Teamarbeit im Jahrgang gibt es bislang nicht.
September 2008
Der Ist-Stand
Im Jahr 2008 wurde unsere Schule im Rahmen der Qualitätsanalyse extern evaluiert. Sowohl die Vorbereitung auf die QA, als auch die Ergebnisse der Analyse bestimmten im weiteren Verlauf die Schwerpunkte der Schulentwicklungsarbeit. Neben ausgewiesenen Stärken der Schule wie „Konzeptionelles Profil“ und „Innovationsfreude im Kollegium“, wurden auch Handlungsfelder zur Optimierung im Bereich der Pädagogik und Didaktik aufgezeigt.
Im Prozess der internen Auswertung durch das Kollegium wurden zwei Tendenzen für die zukünftige Arbeit deutlich. Auf der einen Seite stand die Wertschätzung für die konstruktive Rückmeldung seitens der QA samt der aufgezeigten Entwicklungsbedarfe. Auf der anderen Seite wurde der Wunsch nach Autonomie in der Planung des eigenen Schulentwicklungsprozesses deutlich.
Die Säulen der schulischen Arbeit visualisieren das Schulprofil. Sie zeigen zum einen die Vielfalt des Schullebens der „Grundschule A“ im Überblick und bieten zum anderen einen Überblick zur Verortung der einzelnen Schulentwicklungsvorhaben. Im Sinne von Kontinuität und Nachhaltigkeit sollten die Arbeitsschwerpunkte, die bereits im Arbeitsplan Schulentwicklung berücksichtigt waren, um eine von der QA benannte Zielstellung ergänzt werden. Im Zuge einer Priorisierung fiel die Wahl auf verstärkte Binnendifferenzierung im Unterricht, hier des Mathematikunterrichts. Im Rahmen der Implementation des Lehrplans Mathematik sowie der Entwicklung des schulinternen Curriculums1 hatte bereits eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema „Binnendifferenzierung“ stattgefunden. Die Entwicklung eines Hausaufgabenkonzeptes, die Einführung von Probearbeiten mit folgenden differenzierter Mathematikarbeiten waren Ergebnisse dieser Arbeit.
Februar 2009
Die Grundschule A als Kooperationsschule
Die Möglichkeit Kooperationsschule der Projektes PIKAS zu werden, stellte sowohl eine fachkompetent begleitete theoretische Auseinandersetzung in diesem Punkt in Aussicht, als auch die Möglichkeit eine Vielzahl von Materialien, u.a. zur Differenzierung, praktisch zu erproben.
So kam es, dass sich im Kollegium zunächst zwei Kolleginnen eines Jahrgangs als Erproberinnen für das PIKAS Unterrichts - Material bereitfanden. Sie berichteten in der folgenden Zeit von ihren Erfahrungen, gestützt durch weitere kollegiumsinterne Fortbildungen durch die externe PIK-Lehrerin2. Auf diese Weise wurde das Interesse des gesamten Kollegiums nach und nach geweckt. Als Gelingensbedingung für diese Phase des Entwicklungsprozesses war es von entscheidender Bedeutung, dass sich zunächst nur interessierte Kollegen diesem Arbeitsschwerpunkt verpflichteten.
Vom Engagement einzelner Kollegen zur systemischen Unterrichtsentwicklung
Mai 2011
Die Vorüberlegungen
Nach einer Zeit der Erprobung, der Berichterstattung, der interessierten Nachfragen samt der kollegiumsinternen Fortbildungen stellten sich, im Hinblick auf Stringenz, die Steuerungsaufgaben der Bündelung und Konsensbildung seitens der Schulleitung.
An diesem sensiblen Punkt des Schulentwicklungsprozesses das gesamte Kollegium mitzunehmen, war die anstehende Aufgabe.
Folgende Überlegungen waren maßgeblich, um an bereits getroffene Vereinbarungen und Grundlagen zu erinnern bzw. um Perspektiven für die weitere Entwicklung aufzuzeigen:
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Worauf basiert die Wahl des anstehenden Themas "Unterrichtsentwicklung im Fach Mathematik unter besonderer Berücksichtigung der Binnendifferenzierung“?
Eine Zusammenfassung des Zielvereinbarungsprozesses, ausgehend von den Ergebnissen der QA, sollte für alle Kollegen nachvollziehbar sein und damit die Verbindlichkeit sichern.
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Wie stellt sich die Einbettung in den allgemeinen Schulentwicklungsprozess dar?
Bei vorgenommener Priorisierung eines Schulentwicklungsschwerpunktes sollte gleichzeitig die Wertschätzung für parallel laufende Themen der Schulentwicklungsarbeit so erfolgen, dass die spätere Weiterbearbeitung sicher gestellt ist.
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Welche Erfahrungen und Aktivitäten hat es im Zuge der Kooperation mit PIKAS gegeben?
Diese Zusammenfassung aller bisher eingesetzten Energien/Aktivitäten dient der Nachhaltigkeit und sichert damit die Stringenz im weiteren Vorgehen.
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Wie könnte eine gemeinsame kurz- und langfristige Perspektive für die Weiterarbeit aussehen?
Unter Ausnutzung von Teamstrukturen sollten hier mögliche Perspektiven entwickelt werden, um möglichen Überforderungsängsten in Veränderungsprozessen zu begegnen.
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Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Weiterentwicklung unseres Leistungskonzepts im Fach Mathematik?
Die Berücksichtigung dieses Punktes sollte die Nutzungsfähigkeit der anstehenden Arbeit für die Kolleginnen und Kollegen in einem übergeordneten Kontext aufzeigen.
Wie Hilbert Meyer (2011) in seiner Handreichung „Die Rolle der Schulleitung“ darlegt (siehe hier), ist das Aufzeigen von vernünftigen Arbeitszusammenhängen förderlich und vertrauensbildend bei der Planung eines Schulentwicklungsprozesses.
Oktober 2011
Die Arbeit der Fachgruppe Mathematik
Zur Unterstützung und Vorbereitung des Prozesses sollte die Fachgruppe Mathematik, die sich aus drei Kollegen zusammensetzt, zum Thema „Umgang mit Heterogenität im Mathematikunterricht“ einen Vorschlag für die kurz- bis langfristige Weiterarbeit erarbeiten.
Der Vorschlag der Fachgruppe ging von folgenden Überlegungen aus:
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Welches Thema ist für alle Jahrgänge von Interesse und ermöglicht ein weitgehend analoges Vorgehen der Kollegen?
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Was lässt sich in einem überschaubaren Zeitrahmen von allen Lehrern/innen entwickeln und unterrichtlich erproben?
Für die kurzfristige Planung war das Ergebnis der Fachgruppe die Entwicklung von Standortbestimmungen zur Zahlraumerweiterung in den Jahrgängen zwei bis vier als Basis für die Erarbeitung differenzierter Schüler-Arbeitspläne für die ersten Unterrichtswochen im folgenden Schuljahr. Für die langfristige Auseinandersetzung wurde der Vorschlag gemacht, sich mit dem Themenkomplex „Gute Aufgaben – Entwicklung von Sprache und Arbeitstechniken“ auseinanderzusetzen. Die entwickelten Zielperspektiven als Diskussionsgrundlage für die Lehrerkonferenz sollten noch flankiert werden durch Maßnahmen der Anknüpfung und Rückbesinnung auf bisherige Aktivitäten im Projekt PIKAS und durch einen allgemeinen Überblick über die Schulentwicklungsbereiche (siehe Vorüberlegungen).
Mai 2012
Die Umsetzung
So ergab sich für die dreistündige Lehrerkonferenz folgender Aufbau: Zum Einstieg dokumentierte ein Plakat (hier ein Auszug) mit allen Aktivitäten im Projekt PIKAS eindrucksvoll, wie viele Menschen bzw. Gremien sich mit Materialien, Unterrichtsreihen etc. seit 2009 beschäftigt hatten. Daneben bot eine in der Fachgruppe Mathematik vorbereitete Internetrallye jedem Kollegen in seinem Jahrgangsteam die Gelegenheit, seine Kenntnisse im Umgang mit der PIKAS Website aufzufrischen. Zum Abschluss präsentierte die Fachgruppe Mathematik die entwickelten Zielperspektiven, die abschließend diskutiert und vereinbart wurden.
Nachdem die Zielperspektiven geklärt waren, konnte mit der Organisation des anstehenden Arbeitsprozesses begonnen werden. Dazu wurden im Arbeitsplan Unterrichtsentwicklung Mathematik bereits geblockte Konferenzzeiten für Fortbildung, Gruppenarbeit und Diskussionen im Plenum detaillierter geplant.
Im Rahmen der folgenden Schulkonferenz wurden die Eltern unter dem Tagesordnungspunkt „Schulentwicklungsbericht - Unterrichtsentwicklung im Fach Mathematik“ über das zukünftige Vorhaben informiert. Im Sinne von Rechenschaftslegung und Selbstverpflichtung unterstreicht ein solcher Punkt auf der Tagesordnung die Wichtigkeit des Vorhabens.
In den Folgekonferenzen wurde der fachwissenschaftliche Hintergrund zum Thema „Standortbestimmungen als Basis zur Entwicklung differenzierter Schüler-Arbeitspläne“ durch die externe PIK Lehrerin eingebracht. Eine weitere Hilfe bei der eigenen Entwicklung in Jahrgangsteams war eine Zusammenstellung bereits vorhandener Standortbestimmungen (vgl. auch: Voßmeier (2012): Schriftliche Standortbestimmungen im Arithmetikunterricht).
In den jeweiligen Plenumsphasen wurde deutlich, dass im Kern ein einheitlicher Aufgabenkanon vereinbart werden sollte, wie z.B. „Zahlen ordnen am Rechenstrich“, „Zahlen darstellen mit Strichen und Punkten bzw. im Stellenwertsystem“ oder aber Eigenproduktionen „Finde schwere Aufgaben“. In einem Fragenspeicher wurden alle offenen Fragestellungen gesammelt, wie z.B. „Sollen Formen der Selbsteinschätzung Bestandteil sein?“ etc., die abschließend geklärt wurden.
September 2012
Die Erprobung im Unterricht
Die entwickelten Standortbestimmungen, im Entwurf und in der Endfassung, wurden im September 2012 in den Klassen zwei bis vier erprobt und mündeten im Oktober 2012 in differenzierte Schüler-Arbeitspläne, die den Kindern in Form einer Lerntheke präsentiert wurden.
Die Auswertung dieses Instrumentariums zur Leistungsförderung steht noch aus.
Wie so oft bei Schulentwicklungsaufgaben wurde hier die Problematik offensichtlich, dass die zeitlichen Ressourcen zur Bearbeitung der einzelnen Felder von Schulentwicklung nicht ausreichten, um kontinuierlich eine Aufgabe zu verfolgen und zu beenden. Daher gibt es parallel laufende Arbeitsfelder. An unserer Schule war es z.B. die Fertigstellung des entwickelten Hausaufgabenkonzeptes bzw. die Auseinandersetzung mit der Einrichtung eines Forscherraumes samt Bearbeitung des Arbeitsplanes Sachunterricht um den Punkt des naturwissenschaftlichen Lernens.
Es ist eine immer wiederkehrende Schwierigkeit bei der schulischen Qualitätsentwicklung, dass alle Beteiligten auch bei großem Engagement nicht gleichermaßen im Thema stehen bzw. bereits begonnene Themen wieder zurück gestellt werden.
Vorläufig abschließend bleibt zu resümieren:
Schulentwicklungsarbeit wird begleitet von mal geringeren, mal größeren Widerständen gegen Veränderung. Aus meiner Sicht förderlich, weil vertrauensbildend, wirken sich hier aus:
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das Herstellen von vernünftigen Arbeitszusammenhängen (vgl. Meyer (2011)),
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das Wertschätzen und Herausstellen von parallel laufenden Entwicklungsarbeiten,
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die Berücksichtigung von Teamstrukturen,
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das Aufzeigen der Nutzungsfähigkeit der anstehenden Arbeit (vgl. Rolff et al. (2009))
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ein Ausblick auf die langfristige Perspektive.
Insofern steht die Etablierung eines alternativen Modells zur Umgestaltung der Konferenzzeiten zur Einrichtung fester „Pädagogischer Arbeitszeiten“ auf dem Plan.
Oktober 2012
Ausblick: Entwicklung eines alternativen Modells zur Umgestaltung der Konferenzzeiten zur Einrichtung fester pädagogischer Arbeitszeiten.
Februar 2013
Im Mai 2013 wurde ein alternatives Modell zur Umgestaltung der Konferenzzeiten zur Einrichtung fester pädagogischer Arbeitszeiten entwickelt. Festgelegt wurde ein Modell, in dem jeweils mittwochs die pädagogische Arbeitszeit für 90 Minuten stattfindet. In dieser Zeit arbeiten Teams themenbezogen zu selbstgewählten Themen, situativ werden die pädagogischen Arbeitszeiten ergänzt durch Plenumsphasen. Die Arbeitsprozesse in den Gruppen werden dokumentiert und als Überblick im Lehrerzimmer ausgehängt.
Zunächst die strukturellen Veränderungen:
So wird die wöchentliche Konferenzzeit von 1h und 30 min fortan in zwei Abschnitten organisiert. Der erste Teil ist dem so genannten operativen Geschäft bzw. Vorstellungsphasen vorbehalten. Der zweite Teil dient der Teamarbeit, in der an selbst gewählten Schul- bzw. Unterrichtsentwicklungsschwerpunkten gearbeitet wird. Die einzelnen Sitzungen werden im rotierenden Verfahren von jeweils einer Kollegin geleitet und in einer Themenmappe protokolliert. Transparenz über die Gruppenzusammensetzung, Themenwahl, geplante Plenumsphasen zur Vorstellung bzw. zur Abstimmung des weiteren Vorgehens bietet eine Übersichtswand im Lehrerzimmer. Hier wird auch der Einbezug weiterer schulischer Mitwirkungsgremien dokumentiert.
Die Frage, wann welcher Entwicklungsschwerpunkt in der Schulkonferenz vorgestellt wird, bot eine weitere orientierende Hilfe im Hinblick auf Stringenz im Zielerreichungsprozess.
Die Evaluation der neuen Organisationsstruktur erfolgte auf der Basis einer Übersicht der bearbeiteten Themenschwerpunkte zum Ende des Schuljahres. Insgesamt wurde deutlich, dass sich die kontinuierliche wöchentliche Arbeit in interessengeleiteten Arbeitsgruppen sehr positiv auf die Effizienz der Schulentwicklungsarbeit ausgewirkt hat.
Inhaltliche Schwerpunktsetzung der fachspezifischen Unterrichtsentwicklung war im Zeitraum von Oktober 2013 bis Juni 2014 die Sprachförderung im Mathematikunterricht. Die PIKAS Materialien im Haus 4 Modul 4.1 boten einen Einstieg in die Fortbildung zum Thema „Sprachsensibler Mathematikunterricht“.
Zunächst wurde nach Durchsicht des Mathematiklehrwerks ein mathematischer Grundwortschatz für die Klassen 1/2 und 3/4 zusammengestellt Darauf folgte eine Sammlung geeigneter Übungsformate für die jeweiligen Jahrgänge samt entsprechender Aufgaben für die Leistungsfeststellung.
Diese Arbeitsergebnisse für den Einsatz im Unterricht wurden ergänzt durch eine Fortschreibung der schuleigenen Arbeitspläne und des Leistungskonzeptes für Mathematik.
1 In NRW ist hierfür der Begriff "schulinterner Arbeitsplan" eingeführt worden
2 Bezüglich der Übertragbarkeit sei angemerkt, dass inzwischen die Fortbildung auch durch auch andere (externe) Moderatoren (z.B. Fachberater oder Kompetenzteam-Mitglieder) möglich geworden ist, da das Fortbildungsmaterial von PIKAS (Moderator- und Teilnehmer-Material) auf der Website frei zugänglich ist.