Warum sollten Lernende Grundvorstellungen nach dem Vierphasenmodell aufbauen?
Welche vier Phasen gibt es und wie kann das Modell in den Unterricht eingebunden werden?
Zu welcher Phase gehört die Aufgabe? (Eigenaktivität)
Warum sollten Lernende Grundvorstellungen nach dem Vierphasenmodell aufbauen?
Schwierigkeiten beim Mathematiklernen sind häufig auf das Fehlen von Grundvorstellungen im Zahl-, Stellenwert- und Operationsverständnis zurückzuführen (Gaidoschik et al., 2021, S. 5). Der Vorstellungsaufbau sollte daher von Beginn an angeregt werden.
Das Vierphasenmodell veranschaulicht, wie das Aufbauen solcher Vorstellungen aussehen kann (Wartha & Schulz, 2011, S. 11). Der Grundgedanke besteht darin, konkrete Materialhandlungen gedanklich vollziehen zu können. Handlungen werden zunächst konkret mit Material ausgeführt und dann zunehmend nur noch gedanklich vorgenommen. Ziel ist es, die durch didaktisches Material erzeugten Bilder zu verinnerlichen, damit sie später zum Rechnen im Kopf abrufbar sind. Das Kind kann dann ohne Hilfsmittel im Kopf, mithilfe der in der Vorstellung entstandenen Bilder, rechnen und seine Vorstellung den Aufgaben anpassen.
Eine zentrale Rolle spielt dabei die Versprachlichung der Handlung. Der Darstellungswechsel zwischen Sprache, Symbol und Handlung am Material hilft beim Aufbau eines tieferen Verständnisses.
Welche vier Phasen gibt es und wie kann das Modell in den Unterricht eingebunden werden?
Die folgende Abbildung bietet eine Übersicht über die vier Phasen.
Das Vierphasenmodell (in Anlehnung an Wartha & Schulz, 2011, S. 11)
Das Modell ist keinesfalls als lineares Stufenmodell zu verstehen. Die Phasen werden nicht zwingend nacheinander durchgeführt. Es kann durchaus sinnvoll sein, zu späteren Zeitpunkten zu einer früheren Phase zurückzukehren. Dies bietet sich beispielsweise an, wenn auffällt, dass bei einer Phase noch Schwierigkeiten vorliegen. Auch für das Entdecken und Begründen von Strukturen kann es sinnvoll sein, zu Handlungen am Material zurückzukehren.
Der Weg der Verinnerlichung führt nie nur vom Material weg, sondern immer wieder auf das Material zurück, um am Material zu erklären, etwas darzustellen oder zu argumentieren. (Häsel-Weide et al., 2014, S. 114)
Das Vierphasenmodell lässt sich auf verschiedenste inhaltliche Bereiche und Klassenstufen anwenden. Neben Zahlvorstellungen können damit auch Vorstellungen zu Operationen oder Rechenstrategien aufgebaut werden. Das Modell dient daher als Orientierungsrahmen für einen Mathematikunterricht, der großen Wert auf die Entwicklung mentaler Bilder legt.
Im Folgenden wird gezeigt, wie der Aufbau von Vorstellungen anhand des Vierphasenmodells gelingen kann. Die Aufgabe soll die nicht-zählende Zahldarstellung am Zwanzigerfeld fördern. Zunächst handeln die Kinder dabei konkret mit Plättchen am Zwanzigerfeld, die Handlungen werden jedoch zunehmend mental vorgenommen.
Phase 1:
Das Kind handelt am geeigneten Material und erklärt, was es tut
Das Kind operiert mit Material, das für die aufzubauende Vorstellung geeignet ist. Anhand dessen können nicht-zählende Handlungen vorgenommen werden. Diese werden sprachlich begleitet.
In diesem Beispiel werden Zwanzigerfeld und Punktematerial eingesetzt. Anstatt Plättchen einzeln hinzuzulegen, nutzt das Kind Zehner- und Fünferstreifen. Es kann dabei entdecken, dass sich eine Zahl aus kleineren Zahlen zusammensetzt (17 lässt sich als 1 Zehner, 1 Fünfer und 2 Einer legen).
Phase 2:
Das Kind beschreibt die Materialhandlung mit Blick auf das Material
Die Materialhandlung wird nicht vom Kind selbst durchgeführt. Stattdessen diktiert es einem anderen Kind oder einer Lehrkraft die durchzuführende Handlung und überprüft die korrekte Ausführung. Für diese Phase ist also charakteristisch, dass die zuvor ausgeführte Handlung vom Kind nur noch versprachlicht wird.
Eine mögliche Aufgabe wäre, dass das diktierende Kind eine Zahl bekommt und dem anderen Kind beschreibt, wie es die Zahl legen soll, ohne diese explizit zu nennen.
Phase 3:
Das Kind beschreibt die Materialhandlung ohne Sicht auf das Material
Phase 3 basiert auf dem gleichen Prinzip wie Phase 2. Das Kind diktiert sprachlich eine Handlung, ohne diese selbst durchzuführen. Der Unterschied ist, dass es die Handlungen der anderen Person nicht mehr beobachten kann. Dadurch ist es gezwungen, den Ablauf der Handlung ausschließlich in der Vorstellung nachzuvollziehen.
Für die Aufgabe am Zwanzigerfeld eignet sich zu diesem Zweck das Aufstellen eines Sichtschutzes.
Phase 4:
Das Kind beschreibt die Materialhandlung "nur" in der Vorstellung
Auf handelnden Umgang mit Material wird vollständig verzichtet. Lernende üben und automatisieren ausschließlich auf symbolischer Ebene. Die in den vorherigen Phasen angeregten Materialhandlungen sollte das Kind nun verinnerlicht haben. Auf diese Grundlagen wird beim gedanklichen Lösen der Aufgaben zurückgegriffen.
So kann sich das Kind beispielsweise das Zwanzigerfeld und das Legen von Plättchen, Fünfer- und Zehnerstreifen vorstellen, um sich eine Zahl gedanklich vor Augen zu führen.
Eigenaktivität: Zu welcher Phase gehört die Aufgabe?
Die einzelnen Phasen werden ausführlich beschrieben. Es werden Hinweise für den Einsatz im Unterricht gegeben.
Das Vierphasenmodell wird als Möglichkeit zur Unterstützung von Kindern mit Lernschwierigkeiten vorgestellt. Videos aus einer Fördersitzung zum Thema "Stellenwerte" zeigen, wie die Nutzung des Modells in der Praxis aussehen kann.
Gaidoschik, M., Moser Opitz, E., Nührenbörger, M., & Rathgeb-Schnierer, E. (2021). Besondere Schwierigkeiten beim Mathematiklernen. Special Issue der Mitteilungen der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik, 47. Verfügbar unter: https://ojs.didaktik-der-mathematik.de/index.php/mgdm/issue/view/46
Häsel-Weide, U., Nührenbörger, M., Moser Opitz, E. & Wittich, C. (2014). Ablösung vom zählenden Rechnen. Fördereinheiten für heterogene Lerngruppen. Seelze: Kallmeyer
Wartha, S. & Schulz, A. (2011). Aufbau von Grundvorstellungen (nicht nur) bei besonderen Schwierigkeiten im Rechnen.